Von Christian F. Hirsch
Der Begriff Kommunikationstriage beschreibt für mich ein strategisches Steuerungsprinzip in geopolitisch aufgeladenen Krisenlagen. Es ist ein Prinzip, das ich in der Praxis anwende. Er überträgt die medizinische Logik der Triage, also die Priorisierung nach Dringlichkeit und Überlebenschancen, auf die Kommunikation in Situationen, in denen Zeit, Aufmerksamkeit und Glaubwürdigkeit zur knappsten Ressource werden. Kommunikationstriage bedeutet, unter massivem Druck und inmitten widersprüchlicher Informationsfluten zu entscheiden, was jetzt kommuniziert werden muss, was warten kann und was besser ungesagt bleibt.
In meiner Arbeit als Berater für Kommunikations-, Krisen- und Kriegsresilienz erlebe ich diese Notwendigkeit regelmäßig: bei Unternehmen, die in globalen Spannungsfeldern agieren, deren Lieferketten geopolitisch verwundbar sind und deren Marken sich plötzlich in sicherheitspolitischen Diskursen wiederfinden. Und auch aus meiner Zeit als Pressesprecher eines Rüstungsunternehmens weiß ich, wie dünn der Grat ist zwischen sachlicher Information, politischer Sensibilität und öffentlicher Wahrnehmung. In solchen Lagen ist Kommunikationstriage kein theoretisches Konstrukt, sondern Überlebensstrategie.
Analog zum medizinischen Vorbild gliedert sich diese Logik in drei Kategorien:
Rote Kommunikation ist lebenswichtig: Sie sie muss sofort erfolgen, etwa bei Sicherheitswarnungen, Erstmeldungen an Behörden oder der schnellen Reaktion auf Desinformation. Gelbe Kommunikation stabilisiert die Lage: Medienbriefings, Stakeholder-Updates, interne Lageerklärungen. Grüne Kommunikation schließlich ist nachgelagert. Sie dient der Reputationspflege, der Aufarbeitung und der strategischen Einordnung im geopolitischen Gesamtbild.
Ihr Ziel ist es, Reaktivismus zu vermeiden und Kontrolle zurückzugewinnen. Und das kommunikativ wie strategisch. In geopolitischen Stresslagen, wenn Sanktionen Märkte verzerren, Cyberangriffe Informationsräume vernebeln oder politische Narrative die Unternehmenskommunikation unter Druck setzen, schafft die Triage eine klare Ordnung: Erst Sicherheit, dann Kontext, dann Deutungshoheit.
Kommunikationstriage ist damit weit mehr als Krisenhandwerk. Sie ist ein Instrument geopolitischer Kommunikationsresilienz, ein Verfahren, das Organisationen hilft, in einer multipolaren, fragmentierten Welt kommunikationsfähig zu bleiben. Sie zwingt Führung und Kommunikation dazu, Ressourcen dort einzusetzen, wo sie den größten strategischen Unterschied machen: an der Schnittstelle zwischen Politik, Wirtschaft und Öffentlichkeit.