Warum sollten Unternehmen nicht auf politische Lösungen zur Sicherung nationaler Wirtschaftsresilienz warten?

Von Boris van Thiel

Geoökonomie als neues Machtmittel bedeutet für deutsche Unternehmen vor allem eines: Der globale Wettbewerbsdruck hat sich längst in einen geopolitisch beeinflussten Risiko- und Machtwettbewerb verwandelt. Während der Motor der deutschen Weltwirtschaft ins Stocken gerät und die Schlagzeilen von Lieferstopps kritischer Rohstoffe, explodierenden Einfuhrzöllen, Stellenabbau in der Automobilindustrie und steigenden Insolvenzen prägt werden, ist schnell ein Schuldiger gefunden: die Geoökonomie, personifiziert durch Donald Trump, Wladimir Putin und Xi Jinping.

Das greift jedoch zu kurz. Schuldzuweisung allein liefert keine Orientierung. Was deutsche Unternehmenslenker jetzt brauchen, sind praxistaugliche Strategien, um Kernprozesse gegenüber geoökonomischen Verwerfungen zu schützen. Notwendig sind funktionierende Frühwarnsysteme, die kritische Entwicklungen rechtzeitig anzeigen. Mit anderen Wort: Vigilanz also.

Geoökonomische Verschiebungen entstehen selten über Nacht, sie kündigen sich an, oft langsam, aber klar erkennbar. Dennoch werden die Warnsignale zu häufig ignoriert, man wartet ab, anstatt zu handeln, und verschenkt dabei wertvolle Zeit. Das Beispiel der Halbleiterkrise zeigt eindrucksvoll, wie risikohaft kollektives Zaudern sein kann. Führungskräfte müssen die globalen Trends aufmerksam verfolgen und deren mögliche Auswirkungen auf das eigene Geschäft einschätzen.

Im hektischen Tagesgeschäft ist das jedoch kaum leistbar, weshalb die Einrichtung einer geopolitischen oder geoökonomischen Stabsstelle sinnvoll ist. Diese bewertet weltpolitische Entwicklungen im Kontext eigener Produkte, Märkte und Lieferketten, entwickelt Szenarien und führt Planspiele durch, die regelmäßig im Führungskreis diskutiert werden sollten. Verdichten sich Anzeichen für konkrete Bedrohungen, müssen Maßnahmen folgen, taktische wie strategische. Taktisch kann die Einrichtung von Pufferlagern helfen, kurzfristige Engpässe abzufedern. Strategisch hingegen geht es darum, mittel- bis langfristig Alternativen zu schaffen: bei Rohstoffen, Vorprodukten und Lieferanten gleichermaßen.

Jetzt ist die Zeit zu handeln. Auf politische Lösungen zur Sicherung nationaler Wirtschaftsresilienz zu warten wäre fatal. Unternehmen, die hier vorangehen, haben beste Chancen auf eine stabile Geschäftsfortführung, auch wenn die Maßnahmen zunächst die Marge belasten. Dieser Effekt ist kurzfristig; langfristig zahlen sich Resilienzstrategien vielfach aus. Ausschlaggebend ist eine klare Kosten-Nutzen-Analyse, insbesondere der Vergleich zwischen zusätzlichen Aufwendungen und den potenziell dramatischen Ausfallkosten im Ernstfall.

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