Warum ist Kooperation eines der wichtigsten Resilienzprinzipien?

Von Christian F. Hirsch

Timo Gerrit Blenk, der CEO der Agora Strategy Group, eine der großen deutschen Unternehmensberatungen für unternehmensfokussierte Geopolitik, hat es diese Woche in einem LinkedIn-Post auf den Punkt gebracht: „Kooperation wird zum Resilienzprinzip. Niemand kann sich allein verteidigen – weder Staaten noch Unternehmen.“ Ich ergänze: In Zeiten des Hybriden Krieges, in den wir leben, wird die Kooperationsfähigkeit für Unternehmen vielleicht sogar zum wichtigsten Resilienzprinzip.

Die Fähigkeit, Krisen zu überstehen und gestärkt daraus hervorzugehen, ist für Organisationen heute wichtiger denn je. Ob Unternehmen, Behörden oder ganze Gesellschaften: Resilienz ist zur neuen Währung strategischer Sicherheit geworden.  Die sogenannte organisationale Resilienz – also die Widerstandsfähigkeit einzelner Organisationen – und die gesamtgesellschaftliche Resilienz – also die Krisenfestigkeit eines Staates und seiner Bevölkerung – beruhen auf drei zentralen Säulen: der proaktiven Widerstandsfähigkeit, der reaktiven Bewältigungsfähigkeit und der Kooperationsfähigkeit. Erst das Zusammenspiel dieser drei Prinzipien macht ein System wirklich krisenfest. Besonders aber die dritte Säule, die Kooperationsfähigkeit, wird in Zeiten geopolitischer Spannungen und hybrider Bedrohungen immer entscheidender.

Die Resilienzforscher Professor André Röhl und Rico Kerstan haben dieses dreisäulige Modell geprägt. Es beschreibt Resilienz nicht als starre Eigenschaft, sondern als dynamisches Zusammenspiel aus Vorbereitung, Anpassungsfähigkeit und Vernetzung. Proaktive Widerstandsfähigkeit bedeutet, Krisen vorauszudenken, Risiken zu erkennen und vorbeugende Strukturen zu schaffen. Reaktive Bewältigungsfähigkeit meint die Fähigkeit, im Ernstfall schnell, koordiniert und wirksam reagieren zu können. Kooperationsfähigkeit schließlich beschreibt die Kunst, über die eigenen Systemgrenzen hinauszuwirken, also in Netzwerken zu denken, mit anderen Organisationen zu handeln und gemeinsam Lösungen zu entwickeln. Gerade diese dritte Säule entscheidet darüber, ob Unternehmen und Gesellschaften Krisen meistern oder in ihnen zerrieben werden.

Klassische Krisen wie Naturkatastrophen, Pandemien oder Lieferengpässe bleiben reale Risiken. Doch die gefährlichsten Störungen unserer Zeit entstehen zunehmend im Graubereich zwischen Krieg und Frieden, das heißt in der sogenannten hybriden Kriegsführung. Sie bezeichnet die gezielte Kombination militärischer, wirtschaftlicher, politischer, digitaler und psychologischer Mittel, um Staaten, Gesellschaften oder Unternehmen zu destabilisieren. Und das oft ohne, dass ein einziger Schuss fällt.

Cyberangriffe, Desinformationskampagnen, Erpressung über Energie- oder Lieferketten, wirtschaftlicher Druck und verdeckte Einflussnahme sind typische Instrumente dieses „Krieges unterhalb der Kriegsschwelle“. Deutsche Unternehmen stehen dabei im besonderen Fokus. Sie sind hochvernetzt, exportorientiert und technologisch führend und damit attraktive Ziele sowohl für staatliche als auch für nichtstaatliche Akteure. Viele Firmen unterschätzen noch immer die geopolitische Dimension dieser Bedrohung und verfügen über zu wenig strategische Resilienz.

Und auch mit seiner Beschreibung dessen, was den Hybriden Krieg eigentlich ausmacht, liegt Timo Gerrit Blenk in seinem LinkedIn-Post sehr richtig: „Nicht ein großer Angriff, sondern tausend kleine Grenzverschiebungen, bis das Undenkbare normal klingt.“ Der hybride Krieg zeigt sich nicht als Blitzschlag, sondern als stetiges Nadelstich-Manöver. Russische Hackergruppen greifen gezielt Netzwerke deutscher Unternehmen an, stehlen ihre Daten, sabotieren ihre Systeme oder erpressen Lösegeld von ihnen.

Desinformationskampagnen untergraben das Vertrauen in Unternehmen, oft über anonyme Portale und soziale Medien. Sabotageakte gegen Bahnlinien, Kabel oder Energieanlagen testen die Reaktionsfähigkeit deutscher Unternehmen. Wirtschaftlicher Druck, Abhängigkeiten und manipulative Lieferketten wirken als stille Waffen. Das Ergebnis ist kein sichtbarer Krieg, sondern ein langsames Zermürben: ein permanenter Test der Abwehrkräfte deutscher Unternehmen. Früher undenkbar für viele, gehört es heute zur Tagesordnung. Wie Blenk schreibt: „Das Undenkbare wird zur Routine.“

Gerade in diesem Kontext gewinnt die dritte Säule der Resilienz, die Kooperationsfähigkeit, eine zentrale Bedeutung für Unternehmen. Resilienz entsteht nicht durch Abwehr, sondern durch Vorbereitung und Vernetzung. Wer die Zeichen erkennt, kann handeln und genau hier wird Kooperation zum zentralen Hebel. Hybride Angriffe kündigen sich selten laut an. Kleine Störungen wie ungewöhnliche Datenzugriffe, Falschmeldungen, Lieferprobleme sind oft die Vorboten. Frühwarnsysteme, IT-Monitoring, Social-Media-Analysen und strategische Risikoauswertungen helfen, Muster zu erkennen, sind Maßnahmen dagegen.

Resiliente Organisationen proben regelmäßig, wie sie auf Angriffe reagieren. Und das tun sie digital, kommunikativ und organisatorisch aber auch ganz physisch. Und sie tun es mit anderen zusammen. Sie trainieren den Ernstfall, um Handlungssicherheit zu gewinnen. In hybriden Lagen entscheidet Glaubwürdigkeit. Wer klar, schnell und konsistent kommuniziert, behält Kontrolle. Besonders entscheidend ist, dass Unternehmen sich mit Sicherheitsbehörden, Verbänden, Dienstleistern und Forschungseinrichtungen vernetzen. Informationsaustausch über Cyberangriffe, Falschinformationen oder Lieferkettenstörungen schafft kollektive Wachsamkeit und verkürzt Reaktionszeiten.

Kooperation entfaltet ihre Wirkung auf mehreren Ebenen. Sie ermöglicht einen funktionierenden Informationsfluss, weil Frühwarnung nur dann funktioniert, wenn Wissen geteilt wird. Sie erlaubt Ressourcenteilung, weil kleinere Unternehmen von Partnern mit technischer oder personeller Stärke profitieren. Und sie schafft Vertrauen, weil Stabilität in Krisen nicht aus Abschottung entsteht, sondern aus glaubwürdiger Zusammenarbeit mit Behörden, Medien und Zivilgesellschaft. Hybride Kriegsführung zielt darauf, Vertrauen zu zerstöre. Kooperation baut es wieder auf. Sie macht Unternehmen nicht unverwundbar, aber sie macht sie gemeinsam widerstandsfähiger. Genau das ist das Ziel moderner Resilienzpolitik: vorbereitet sein und mit anderen kooperieren, um nicht überrascht werden.

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