Warum ist Cybersicherheit längst auch ein geopolitisches Thema?

Von Christian F. Hirsch

Cybersicherheit ist längst kein technisches Thema mehr. Sie ist Geopolitik. In einer Welt, die sich zunehmend fragmentiert, führen Staaten, Geheimdienste und hybride Akteure ihre Konflikte nicht nur auf dem Schlachtfeld oder in den Lieferketten aus. Sie führen Krieg in den Informationsräumen. Und in diesem unsichtbaren Krieg stehen Unternehmen mitten im Feuer.

Sie sind nicht mehr nur Objekte wirtschaftlicher Konkurrenz, sondern strategische Zielscheiben. Hacktivisten legen Produktionssysteme lahm, um politische Botschaften zu senden. Staatliche Akteure stehlen geistiges Eigentum, um die eigene Industrie zu stärken. Und Desinformationskampagnen beschädigen Marken, um gesellschaftliche Stimmungen zu beeinflussen. Wer das alles als „IT-Risiko“ betrachtet, hat die geopolitische Dimension nicht verstanden.

Viele Unternehmensführungen behandeln Cyber- und Informationssicherheit noch immer als technische Disziplin. Sie delegiert an Spezialisten, irgendwo in der zweiten Reihe. Doch was passiert, wenn der Angriff nicht auf Server, sondern auf Narrative zielt? Wenn gezielt Falschmeldungen über Produktionsbedingungen, Umweltstandards oder Sicherheitsvorfälle verbreitet werden? Und das koordiniert aus dem Ausland, mit dem Ziel, Vertrauen und Reputation zu zerstören? Dann wird aus einem Cybervorfall eine geopolitische Kommunikationskrise. Und die Verteidigung dagegen liegt nicht in Firewalls, sondern in strategischer Weitsicht, Kommunikationsstärke und geopolitischem Verständnis.

Führung in dieser neuen Wirklichkeit bedeutet, die Welt nicht länger in Märkten zu denken, sondern in Machtzonen. Geopolitische Resilienz erfordert mehr als technische Abwehrmaßnahmen. Sie braucht Frühwarnsysteme für Informationsoperationen, die Fähigkeit, Narrative zu schützen, und eine erweiterte Krisenlogik, die auch hybride Angriffsformen abbildet. Sie verlangt nach Führungskräften, die verstehen, dass Informationssicherheit längst Teil der politischen Stabilität eines Unternehmens ist.

In dieser neuen Weltordnung sind Unternehmen nicht nur Akteure, sondern auch Arenen geopolitischer Machtspiele. Die Frage ist nicht mehr, ob sie angegriffen werden, sondern wie sie darauf vorbereitet sind, wenn Daten, Systeme und Narrative gleichzeitig ins Visier geraten.

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