Geopolitik ist ein supertrendiges Thema. Doch lange war es überhaupt nicht opportun, sich damit zu beschäftigen. Nur wenigen haben es getan. Als Liebhaberei, als Steckenpferd, als absolutes Nischenspezialistum in Universitäten, Thinktanks und Sicherheitsabteilungen großer Konzerne. Die Initiatoren und Macher dieses Blogs gehörten dazu.
Jetzt fahren nicht nur die Medien plötzlich auf das Thema ab. Zeitungen richten eigene Ressorts für Geopolitik ein, im Fernsehen treten Geopolitik-Fachleute als Call-in-Experten auf. Thinktanks firmieren bestehende Abteilungen einfach um und branden sich plötzlich als Geopolitik-Kenner.
Auch in der Szene der Unternehmensberatungen ist Geopolitik das next shiny object. Die großen Beratungen gründen spezielle Units für Geopolitik, Spezialberatungsunternehmen für das Thema werden aus dem Boden gestampft, viele Einzelberater geben sich plötzlich neue Titel. Irgendetwas mit Geopolitik klingt immer gut.
Das Personal der neuen Geopolitikberatungen sind oft hochakademische Beraterneulinge, die meistens international und oft elitär politiknahe Fächer studiert haben. Oder es sind ehemalige Politiker oder Ex-Mitarbeiter von Politikern oder auch pensionierte Generale. Oder es sind Menschen, die schon lange in der Beraterszene sind und jetzt durch eine Umfirmierung auf das große Geld hoffen, doch eigentlich bisher noch nie etwas mit Geopolitik am Hut hatten. Auch einige Altwissenschaftler drängen derzeit in den neuen Geopolitik-Beratungsmarkt.
Fast allen, die jetzt plötzlich einen auf Geopolitik machen, ist gemeinsam, dass sie in ihrem bisherigen Berufsleben meistens nur sehr rudimentäre Berührungspunkte mit der Wirtschaft und ganz konkret mit der Welt der Unternehmen hatten. Ihre Beratungsdienstleistungen bleiben deshalb hängen beim Thinktank-Sprech, bei Altpolitiker-Phrasen oder im Professoren-Tonfall.
Der Blog Boardroom Geopolitics folgt dagegen dem Ansatz der unternehmensfokussierten Geopolitik oder auch Corporate Geopolitics. Der Ansatz beschreibt die systematische Integration geopolitischer Entwicklungen und Risiken in die strategische Steuerung, Kommunikation und Resilienzplanung eines Unternehmens. Ziel ist es, geopolitische Dynamiken frühzeitig zu erkennen, ihre potenziellen Wirkungen auf das Geschäftsmodell zu analysieren und daraus Handlungsoptionen abzuleiten.
Traditionell war Geopolitik eine Domäne von Staaten, Militärs und Diplomatie. Der Corporate Geopolitics-Ansatz überträgt diesen Blickwinkel in die Unternehmenswelt und entwickelt ihn weiter: Politische Konflikte, Sanktionen, militärische Spannungen, Ressourcenverknappung, Energiefragen, Technologiekonkurrenz oder auch ideologische Auseinandersetzungen werden allerdings als unternehmensrelevante Einflussgrößen betrachtet.
Der Staatenfokus eher traditionellen geopolitischen Denkens hat sich bei der unternehmensfokussierten Geopolitik in einen Unternehmensblick gewandelt. Diesen Blick hatten die Initiatoren und Macher des Blogs allerdings schon immer.