Von Boris van Thiel
Wir erleben derzeit ein Phänomen, das man durchaus als Political Overkill bezeichnen kann. Donald Trump hat in den ersten Monaten seines Amtes über 150 Executive Orders erlassen. Das ist eine Taktik, die bisweilen schwindelig macht. Und das aus gutem Grund: Mit dieser Flut an Anordnungen schafft er vor allem Verunsicherung. Die staatlichen Instanzen und Behörden befinden sich permanent im Prüfungsmodus.
Ob alle seine Executive Orders tatsächlich umgesetzt werden, spielt dabei nur eine untergeordnete Rolle. Mit seinen neuen Regelungen, Strafzöllen und administrativen Eingriffen vermittelt er der eigenen Bevölkerung das Bild eines entschlossenen Machers, während er gleichzeitig internationale Handelsbeziehungen ins Chaos stürzt. Kaum eine Regierung der wichtigsten Handelspartner bleibt unberührt; viele suchen fieberhaft nach strategischen Gegenmaßnahmen.
Was Trump mit diesem Vorgehen erreicht, ist vor allem eines: Man muss sich mit ihm auseinandersetzen. Ob man es will oder nicht. Am Ende steht entweder ein Deal nach Trumps Geschmack oder ein Zustand, der für beide Seiten kontraproduktiv ist. Viele Staaten gehen daher teilweise auf seine Angebote ein und nehmen teils widerwillig an hochrangigen Treffen teil. Dieses Vorgehen ist nicht zu verurteilen: Es entspricht dem klassischen Lehrbuchschema, wie man mit einem derart unberechenbaren Staatsführer umgehen kann.
Bleibt die Frage der Gesamtbilanz für Trump: Lohnt sich der Political Overkill langfristig? Er erzeugt Aufmerksamkeit und demonstriert Handlungsfähigkeit, riskiert aber zugleich politische Instabilität und internationale Isolation. Ob die Rechnung auf lange Sicht aufgeht, wird sich zeigen. Aber eins ist sicher: Wir erleben eine neue Dimension geopolitischer Überforderung.
Ist dieses Modell auch in Deutschland salonfähig? Nein, Deutschland ist nicht die USA. Und das sagt bereits einiges. Auch wenn wir von Bundeskanzler Maerz in den ersten Monaten seiner Amtszeit gelegentlich etwas mehr Entschlossenheit erwarten, ist das amerikanische Modell des Political Overkill hierzulande nicht ohne Weiteres übertragbar.
Bundeskanzler Friedrich Merz hat zu Beginn seiner Amtszeit zwar mit seiner Richtlinienkompetenz geworben, macht aber kaum Gebrauch davon. Zudem wirkt Maerz nicht wie ein Dealmaker à la Trump, sondern eher als besonnener, ausgleichsbedürftiger Massenpolitiker, der auf Stabilität und Verlässlichkeit setzt. Das amerikanische Prinzip der ständigen Eskalation und provokativen Durchsetzung von Macht würde in Deutschland kaum auf Akzeptanz stoßen.
Unternehmer müssen weiterhin mit Trumps unberechenbaren Entscheidungen rechnen. Gleichzeitig müssen sie aber davon ausgehen, dass die deutsche Bundespolitik im Zweifel die Interessen der USA berücksichtigt. Natürlich wünscht man sich in Deutschland mehr politische Durchsetzungsfähigkeit, einen pragmatischen Führungsstil, der unaufgeregt und unideologisch agiert.
Einen Trump wünschen wir uns hier jedoch nicht. Für Unternehmen heißt das konkret: Strategische Planung muss flexibel sein, Risiken aus internationalen Handelskonflikten müssen einkalkuliert werden, und die Fähigkeit, auf kurzfristige politische Schocks zu reagieren, wird entscheidend. Gleichzeitig bleibt es wichtig, auf verlässliche, berechenbare Rahmenbedingungen in der heimischen Politik zu setzen. Auch wenn diese manchmal langsamer, aber stabiler handeln.